Reiseberichte: Yukon 1996

Yukon: Auf den Spuren des Goldrausches

Entlang der Inland-Passage, über den Chilkoot-Trail und den Yukon 3.500 Kilometer flussabwärts bis zur Beringsee.


Am 16. August 1896 stießen Jim Shookum, Charlie Dawson und Georg Carmack auf reiche Goldvorkommen am Klondike-River. Sie tauften den Bach Bonanza-Creek, der als reichstes Goldvorkommen der Erde in die Geschichte eingehen sollte. In den darauf folgenden Jahren startete ein in der Geschichte bislang beispielloser Run auf die Goldfelder des Yukon und seiner Nebenflüsse. Hundert Jahre später machen wir uns auf die Reise den Spuren dieser Abenteurer zu folgen.
Als eine der ersten belegen wir am Mittag bereits einen Platz auf dem wohl längsten Campingplatz der Welt. Von Bellingham südlich von Vancouver bis nach Skagway in Alaska haben wir unser Zelt auf dem Achterdeck eines Fährschiffes durch die Inland-Passage aufgestellt.


Statt mit Heringen sichern wir unser Zelt auf einer Seite an der Schiffsreling und auf der anderen Seite mittels Klebestreifen auf dem stählernen Decksboden. Bis zur Abfahrt entsteht so auf zwei Decks eine kleine Zeltstadt mit insgesamt über 20 Zelten.


Zum großen Teil sind es junge Leute aus den USA, die in den Sommermonaten zum Arbeiten nach Alaska fahren. Auf der dreitägigen Reise ergeben sich zahlreiche Gelegenheiten zum Kennenlernen, beim Wal beobachten oder beim gemeinsamen Hochball spielen an Deck. Trotz der zumeist kühlen Temperaturen verbringen wir die gesamten drei Tage hier hinten im Freien, da wir befürchten, sonst eine der spektakulären Walbegegnungen zu verpassen. Wir können uns kostenlos heißes Wasser aus dem Bordrestaurant holen, so ist es für uns verkraftbar, dass aus Sicherheitsgründen an Bord nicht gekocht werden darf. Jedes mal geht eine gewisse Unruhe durchs Schiff, wenn Wale sich dem Schiff nähern. Am Ende der Schiffsreise haben wir zwei Schwertwale, mehrere Buckelwale und zahlreiche Delphine beobachten können. Kurz nach Mitternacht erreichen wir Skagway. Nur noch eine handvoll Passagiere sind bis hierhin übrig geblieben.
Vollbepackt mit Rucksack und je einem Handwagen ziehen wir bei schwachem Mondlicht durch die leeren Straßen mit ihren hölzernen Fußwegen. Mit all unserem Gepäck fühlen wir uns fast wie Goldsucher die hier vor 100 Jahren angekommen sind. Das einzige was uns fehlt ist eine Spitzhacke und Schaufel.


Am nächsten Morgen wird unser erster Eindruck jäh zerstört, als die Straßen voller Trucks und Busse sowie die Geschäfte und Plätze voller Touristen sind. Von hier aus organisieren wir unseren weiteren Weg über den Chilkoot-Trail bis zum Lake Benett, von wo aus wir mit unserem Schlauchboot die Flußreise beginnen wollen. Den ursprünglichen Plan, unser Boot mit dem Zug bis Benett zu transportieren, scheitert leider im Ansatz, da der Zug wegen Zuständigkeitsproblemen zwischen der kanadischen und US-amerikanischen Seite dieses Jahr leider nicht in Betrieb ist. Da keine Straße bis nach Benett führt, lassen wir unser Bootsgepäck von einem Veranstalter bis nach Log Cabin fahren und müssen es dann nach unserer Wanderung selbst die zwölf Kilometer bis nach Benett über die Schienen schaffen. Am selben Abend starten wir noch mit leichtem Gepäck zur fünftägigen Wanderung über die Berge. An vielen Stellen zeigen sich noch Überreste von Hütten und der Habseligkeiten die von den Abenteurern beim Aufstieg zurückgelassen worden sind. Wir wundern uns wie die Leute vor 100 Jahren ganze gusseiserne Herde hier zu Fuß über die Berge schaffen wollten.


Der Weg führt zunächst im Tal entlang durch junge Birkenwälder, bis wir dann die Baumgrenze und die ersten Schneefelder erreichen. Der Weg wird steiler und über Geröllfelder erreichen wir den letzten Anstieg die berühmten "Golden Stairs".


Hier haben vor 100 Jahren einige Geschäftstüchtige Stufen in den Schnee geschaufelt über die gegen ein gewisses Entgelt der Abenteurer sein Hab und Gut weiter tragen konnte. Damals wurde durch die kanadischen Mountis hier oben kontrolliert, ob die Abenteurer ausreichend Ausrüstung und Verpflegung mit sich führen, da es im Hinterland zu Beginn des Goldrausches keinerlei Infrastruktur gab. So kletterten die Menschen damals mehrfach den beschwerlichen Weg empor um nach und nach all ihr Hab und Gut über die Berge zu kriegen.


Oben am Grat steht noch heute eine kleine kanadische Station, die inzwischen aber vor allem von der Bergrettung genutzt wird. Ab hier geht es relativ flach weiter über ausgedehnte Schneeflächen, die immer wieder auch eine gewisse Gefahr durch Spalten bergen. Der Schnee ist bereits sehr weich, so dass wir zum Teil bis Mitte Oberschenkel einbrechen und schon nach kurzer Zeit nasse Stiefel haben. Auch im "Happy Camp", einem der ausgezeichneten Rastplätze, liegt noch hoher Schnee, so dass wir für unser Zelt keinen trockenen Platz finden können.


Je tiefer wir kommen, desto öfter sehen wir fließendes Wasser. Das Wasser, dem wir von jetzt an für 3.500 Kilometer folgen wollen.

 

 

Hier, an den ersten größeren Seen "Deep Lake" und "Long Lake", finden wir in der Sonne die ersten warmen trocknen Felsen, auf denen wir unsere in der Nacht durchweichten Schlafsäcke trocknen können.

 


Nicht immer können wir dem gekennzeichneten Weg entlang des Flusses genau folgen, da sich durch den beginnenden Frühling der Fluss langsam gegen die eisigen Klauen des Winters durchsetzt.

Trotz des ersten offenen Wassers müssen wir uns noch etwas gedulden bis der Fluß eine Befahrung zulässt. Einige beeindruckende Wasserfälle und Stromschnellen würden hier all zu schnell die Reise beenden.


Nicht wenige Abenteurer haben in den Stromschnellen dieses Oberlaufs ihr Leben gelassen, wie wir in Lindemann City an einem Gedenkstein mit einer Inschrift von Robert Sevice dem Dichter vom Yukon lesen können:
"This is the law of the Yukon that only the strong will thrive,That surely the weak shall perish, and only the fit will survive. Dissolute, damned and despairful, crippled and palsied and slaim. This is the will of the Yukon-Law how she makes it plain!"
Noch sind wir guten Mutes, dass wir zu denen gehören, die überleben werden.


Am Abend des vierten Tages erreichen wir endlich Benett, das Ende des Trails. Benett besteht heute nur noch aus einem bewohnten Haus und der alten Holzkirche, die restauriert worden ist. Zur Hochzeit des Goldrausches lebten hier 30.000 Menschen vor allem in Zelten und bereiten sich auf die Bootsreise Richtung Klondike vor.
Auch wir wollen hier an diesem legendären Startplatz unsere Bootsreise beginnen, aber davor liegt für uns noch der Materialtransport vom 12 Kilometer entfernten Log-Cabin bis zum Seeufer.


In Log-Cabin bauen wir uns an einer verlassenen Bahnstation aus Holzleisten einen Schlitten. Aus Bandstahl fertigt Peter ein paar Kufen um den Reibwiderstand auf den Schienen zu reduzieren. Trotzdem stellen wir nach wenigen hundert Meter fest, dass sich die gesamte Ausrüstung nicht in einem Stück transportieren lässt. So benötigen wir insgesamt zwei Tage in denen wir dem Gefühl der Strapazen, die die Abenteurer vor 100 Jahren ertragen haben, ein Gutes Stück näher kommen.


Am selben Abend steigen wir noch in unser Schlauchboot, um die ersten Kilometer zu paddeln. Der Wind weht günstig von hinten und treibt uns zügig vorwärts. Allerdings bauen sich auch die ersten kleineren Wellen auf, vor denen wir vorher bereits dringlich gewarnt worden sind.


Für die 50 Kilometer lange Strecke über den Lake Benett hatten wir ursprünglich drei Tage angesetzt. Aufgrund des starken Rückenwindes, den wir mit einer ausgeklügelten Segelkonstruktion aus Treibholz und Innenzelt in Geschwindigkeit umsetzen, können wir die Zeit auf sechs Stunden reduzieren. In den fast einen Meter hohen Wellen zeigt sich das Schlauchboot als gut lenkbar und nur ein mal kann ich beim Abreiten einer allzu hohen Welle nur knapp ein Umschlagen des Bootes verhindern.

 


Nach dem wir bei Carcross den See verlassen haben, wird das Wasser seichter und der Wind legt sich. Leichte Strömung ergreift erstmals unser Boot und lässt die Strapazen der letzten Tage vergessen.
Doch immer wieder zeigt uns das Wetter, dass verheissungsvolle Namen von Buchten und and Bergen und Tälern häufig eine eindringliche Warnung sein sollen. So ergreift uns bei sonst spiegelglattem Wasser auf einem der großen Seen unvermittelt eine starke Windbö und lässt uns für einige hundert Meter gegen schaumgekrönte Wellen ankämpfen, um direkt dahinter wieder in die Stille eintauchen aus der wir kamen. Nicht von ungefähr trägt diese Bucht den Namen Windy Arm. Am Ende des Sees haben wir im flachen Gelände Schwierigkeiten, den Ausfluss und damit den Beginn des Yukon zu finden. Wir verfahren uns zwischen flachen Sandbänken und als wir endlich einen Flusslauf ausmachen dem wir folgen, stellen wir nach kurzer Zeit fest, dass wir gegen die Strömung paddeln. Die Kontrolle an der nächsten Brücke bringt die Erkenntnis, das der McClintock-River sicherlich auch sehr reizvoll, aber nicht unser Reiseziel ist. Etwas gefrustet zelten wir auf einer nahen Wiese und genießen den Abend in der Sonne. Dies idyllische Reich müssen wir in der Nacht leider mit einem Marder teilen, dem wir zu allem Überfluss unser Schlauchboot direkt auf den nächtlichen Wanderweg gelegt haben. Zum Dank zieren am nächsten Morgen je ein kräftiger Zahnabdruck die beiden äußeren Luftkammern. Mit anderen Worten sauber platt gemacht. Nach dem Flicken finden wir endlich auch den Ausfluß aus dem See und folgen nun dem Yukon durch enge Schluchten hindurch bis nach Whitehorse, das wir spät in der Nacht erreichen.


Bis nach Whitehorse hinauf sind früher die Raddampfer gefahren, um die Ortschaften mit Lebensmitteln und anderen Handelswaren zu versorgen. In Whitehorse selbst beendet ein mächtiger Wasserfall, der heute zur Stromerzeugung genutzt wird den schiffbaren Bereich des Yukon. Whitehorse hat sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Ziel für Kanuten entwickelt, die von hier aus den Yukon bis nach Dawson befahren. Eine Strecke von 700 Kilometer die man leicht in etwa zehn Tagen zurück legen kann.
Nachdem wir unsere Ausrüstung mit Angel, Goldwaschpfanne und 40 Kilogramm Verpflegung komplettiert haben, starten wir bei unbeständigem Wetter in die nächste Etappe. Gewitter mit heftigen Niederschlägen und Windböen wechseln sich ab mit herrlichstem Sonnenschein und mit Temperaturen um die 20°C.


Abends spüren wir dann aber, dass wir noch relativ früh im Jahr unterwegs sind. Zum Glück bieten die Ufer ausreichend Treibholz, so dass ein wärmendes Feuer immer schnell entfacht ist.


Je weiter wir uns von den schneebedeckten Gipfeln entfernen, um so stabiler wird das Wetter.

 


Nie führte eine Strasse zu dem kleinen Ort Lower Laberge. Trotzdem rostet hier seid langem ein alter Pick-Up vor sich hin. Hier nutzen wir das angenehme Wetter, um uns für die bevorstehenden schnell fließenden Bereiche vorzubereiten und machen die neu erworbene Angel klar. Plötzlich hören wir lautes Schnauben vom Fluß. Als wir das Ufer erreichen steigt gerade ein stattlicher Schwarzbär am anderen Ufer aus dem Wasser. Unsere Anwesenheit scheint ihn wohl gestört zu haben.


Auf dem weiteren Stück nutzen wir die Gelegenheit und ziehen unsere ersten Greylings aus dem Wasser. Die Lachszeit hat noch nicht begonnen und so sind wir mit diesem ersten Fang mehr als zufrieden.


Einige Berghänge sind noch immer schwarz von den Bränden, die im letzten Jahr hier tobten. Der Waldboden ist frei von Vegetation und der Nährstoffreichtum tut sein übriges, so dass Unmengen von Pilzen spriessen, die hier in Fort Selkirk von einigen Leuten gesammelt auf langen Tischen zum trocknen liegen. Fort Selkirk ist ein kleine Geisterstadt, die heute als Museum eingerichtet ist und mit einer Kirche sowie einer Schule zum Besuch einlädt.


Zwei Tage später passieren wir den Zulauf des White-River. Wie der Name vermuten lässt, transportiert er sehr viele feine Sedimente von den Gletschern der Berge. Dadurch wird das Wasser des Yukon so trübe, dass mit den Blinkern nichts mehr zu angeln ist. Diese Sedimente setzen sich bis zur Mündung in die Bering-See nicht mehr ab, so dass wir von nun an frischen Fisch entweder von den Indianern erwerben oder im flachen Wasser mit der Hand fangen, wie es die Grizzlys machen.


Da wir gut in der Zeit liegen, machen wir einen Abstecher zum Tozitna-River, wo wir uns im klaren Wasser mehr Angelglück erhoffen. Im schlammigen Ufer sehen wir deutliche Spuren von Meister Petz und eine Flußbiegung weiter liegen haufenweise Lachsreste am Kiesstrand.


Gegen Abend mache ich mich auf, um an diesen Stränden die Bären beim Fischen zu beobachten. Vom gegenüber liegenden Steilufer habe ich einen guten Überblick und baue mich mit der Kamera auf. Nach etwa fünf Stunden erscheint ein stattlicher Schwarzbär und wandert am Ufer entlang. Leider befindet er sich auf meiner Seite des Flusses. Als das Ufer schmaler wird erklimmt er die Uferböschung und verschwindet im Wald. Ich packe schnell meine Sachen zusammen und rufe mir noch einmal die richtigen Verhaltensweisen im Umgang mit Bären ins Gedächtnis zurück. Ich stelle mich auf meine Fotokiste als der Bär aus cirka fünf Meter Entfernung um einen Baum herum lugt und stehen bleibt. Ich spreche ihn an und nach kurzer sehr einseitiger Diskussion macht der Bär einen Satz um 180 Grad und verschwindet im Unterholz. Mein Puls bleibt noch eine ganze Weile über 200 und auf dem Rückweg zum Camp singe ich laut und schief, um eine weitere Bärenbegegnung zu vermeiden.


Am späten Abend des nächsten Tages erreichen wir das legendäre Dawson-City, das Centrum des Goldrausches. Dawson lebt noch immer vom Goldrausch bzw. von den Touristen, die heute die Stadt besuchen. Im Casini bei Diamant Tooth Gertie's vergisst man abends beim Bier schnell die Zeit, wenn vorne auf der Bühne Can-Can getanzt wird.


Nicht alle Gebäude sind für die 100 Jahr-Feier herausgeputzt worden. Einige Zeitzeugen scheinen eher auf den finalen Einsturz zu warten.

 


Nachdem anfänglich die Goldsucher noch mit Schaufel und Goldwaschpfanne am Ufer des Klondike gestanden haben, wurden mit der Zeit die Maschinen immer größer und aufwendiger.


Diese Schwimmbagger durchpflügten dann das gesamte Tal bis hinab zum Grundgestein. Mit viel Wasser wurde der Boden zerkleinert und ausgewaschen.

 


Leider ging dabei der gesamte fruchtbare Boden verloren, so dass heute das Tal des Klondike einer Geröllwüste gleicht. Heute wird nur noch wenig Gold aus den Zuflüssen des Klondike gewaschen. Die großen Firmen, allen voran die Japaner sind dazu übergegangen, die Berge mit großen Maschinen durchzusieben, dort wo früher einmal, bevor die Berge entstanden sind, der Klondike sein Flussbett gehabt haben soll.
Nach drei Tagen verabschieden wir uns aus Dawson und setzen unsere Reise fort. Die allermeisten Kanuten fahren nicht über Dawson hinaus, so dass es von nun an auf dem Fluss deutlich einsamer wird.

 


Nicht immer ist es leicht, geeignete Bäume zu finden um den Bären den Zugang zu unserer Verpflegung zu erschweren.

 


Nach wenigen Tagen erreichen wir Eagle und damit Alaska. Beim Postbeamten bekommen wir ohne weitere Formalitäten unseren Einreisestempel. Im General-Store füllen wir noch einmal unsere Kombüse auf.
Kurz vor Circle verschwinden die steilen Ufer und der Fluß wird merklich breiter. Zahlreiche flache Inseln künden den Beginn der Yukon-Flats an. Da wir das erste Mal anfangen mit Karte und Kompaß zu navigieren, stellen wir erst sehr spät fest, dass die Kompassabweichung zwischen gepgraphischem und magnetischem Nordpol in diese Gegend bei 27 Grad liegt.
Wenige Kilometer vor Fort Yukon überqueren wir den Polarkreis. Bei Windstille steigt das Thermometer auf über 30 Grad Celsius im Schatten. Zwischen den baufälligen Hütten der Indianer legen wir an und füllen im gut sortierten Store unsere Lebensmittelvorräte auf.


Nach 44 Reisetagen feiern wir heute Halbzeit. In der Uferböschung habe ich einen Erdofen gegraben und Torte mit Zitronencreme gebacken. Wir sind noch voll im Zeitplan und bei bestem Wetter sind wir sicher unser Ziel zu erreichen.

 


Kurze Zeit später erreichen wir Beaver. Schon die sauber am Strand aufgestellten Fischständer, an denen der Lachs in der Sonne trocknen und die zu einem Totempfahl montierten Elchschaufeln zeigen an, dass hier das kulturelle Leben der Indianer noch deutlich intakter ist als in anderen Dörfern, die wir besucht haben und wir wo den Eindruck hatten, dass das kulturelle Leben zu 90 Prozent vor dem Liquor-Store stattfindet. Wir kaufen uns einen gefrorenen King-Salmon, der uns die nächsten zwei Tage zu 100 Prozent in Form von Lachssuppe, Lachssteak, Lachsfilet und selbstgemachtem Räucherlachs ernähren wird.


Als wir wieder starten wollen, müssen wir leider feststellen, dass sich in der prallen Sonne die Naht der rechten Kammer geöffnet hat. Da wir schlecht im Ort übernachten können, versuche ich die Naht notdürftig mit Kleber und einer zusätzlichen Fixierung durch den Leatherman dicht zu bekommen. Dies hält für die kurzer Fahrt bis zum Lagerplatz.


Während Peter den Lachs und das Abendessen vorbereitet, muss ich die Naht am Boot noch einmal großflächig öffnen, von Innen mit Nahtband verstärken, das Ganze mit festem Zwirn mehrfach vernähen und abschließend mit zwei Schichten Kunsstofflicken endgültig abdichten. Während wir nun beide in unsere Arbeit vertieft sind, das Boot zerlegt am Strand liegt und das ganze Lager nach köchelndem Lachs riecht, kommt am anderen Ufer der flachen Sandinsel ein Schwarzbär den Strand entlang. Um eine überraschende Situation zu vermeiden, rufe ich den Bären frühzeitig an. Doch leider sucht er nicht wie erwartet das Weite, sondern wendet sich jetzt direkt in unsere Richtung und läuft langsam auf unsere Lachspfanne zu. Um unsere Malzeit zu verteidigen, greift Peter geistesgegenwärtig nach meinem roten Biwaksack, den wir tagszuvor als Treibsegel eingesetzt hatten und der nun zum Trocknen über einen Baumstamm hängt. Eine Windböe greift unter den Biwacksack und so steht dem Bären plötzlich ein gut vier Meter hoher leuchtend roter Gegner gegenüber. Sofort stoppt der Bär seinen Lauf und verschwindet im Unterholz.


Russian Mission ist die erste Inuit-Siedlung, die wir besuchen. Die beiden russisch-orthodoxen Kirchen erinnern daran, das dieser Bereich lange unter russischem Einfluss stand.

Pilot-Village ist eine sehr lebendige Stadt, in der man schnell merkt, dass die Inuit den Sprung in die moderne wesentlich besser geschafft haben als die Indianer.

 


Von einer der wenigen Anhöhen erhaschen wir einen Blick auf das flache sumpfige Umland, das von zahllosen Wasserläufen durchzogen wird.

 

 

 


An den wenigen regenfreien Tagen nutzen wir die Gelegenheit, im trüben Wasser unsere Wäsche zu waschen. Durch den stetigen Wind trocknet jetzt die Kleidung recht schnell, obwohl das Thermometer kaum noch über die zehn Grad Celsius-Grenze klettert. Unser Kreislauf hat sich inzwischen soweit akklimatisiert, dass wir trotz der Wassertemperaturen von nur noch etwa acht Grad Celsius noch fast jeden Tag ein kurzes Bad in den Fluten nehmen.


Die Inseln werden immer flacher und so haben wir oftmals das Gefühl, am Horizont bereits das offene Meer zu erblicken, obwohl es noch einige Tagesreisen entfernt liegt. Eines Nachts stellen wir überrascht fest, dass wir uns bereits im Einflussgebiet der Gezeiten befinden. Wie so oft haben wir abends das Kanu am Strand vor dem Zelt liegen lassen und stellen dann in der Nacht erschrocken fest, das es bei Flut auf den Wellen tanzt.

 


Das Delta ist mit fast 50 Kilometern so breit, dass eine Orientierung sehr schwer fällt. Da wir die einzelnen Sandinseln nicht mehr zuordnen können, fragen wir einen Fischer, den wir zufällig treffen. Er berichtet, dass sich jedes Jahr im Frühjahr durch die Schneeschmelze die flachen Inseln verlagern, so das nur mit ganz neuen Karten oder besser mit Satellitenbildern navigiert werden kann. Da unsere Karte fast 30 Jahre alt ist, können wir sie getrost einpacken und folgen nun den Beschreibungen des Fischers, die uns sicher die letzten Kilometer nach Alakanuk führt.
In Alakanuk organisieren wir den Rückflug über Bethel nach Anchorage. Da wir noch zwei Tage Zeit haben, folgen wir einem nur 12 Kilometer langen Kanal bis zur offenen Küste. Hier findet unsere Flußreise nach 72 Tagen und 3.345 Kilometern ihren Abschluss. Nun heißt es endgültig Abschied nehmen vom Yukon, der für uns auch zu einem Stück Heimat geworden ist.


Zum Abschied nehmen wir noch einmal ein Bad in den eisigen Fluten des Yukon, der hier immer noch genauso sandig ist wie seit dem Zufluss des White River vor etwa 2.500 Kilometern und sich nur unmerklich mit dem salzigen Meerwasser vermischt hat.


Schmerzlich ist der Abschied vom Fluss, als wir die Luft aus dem Boot lassen und alles für den Rückflug zusammenschnüren. Zwar ist unser Schlauchkanadier für die offenen Küste denkbar ungeeignet, aber wäre der Yukon 1.000 Kilometer länger gewesen, ich wäre sie gern gefahren.

 

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